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Unser Keltisches Erbe                                      NEUAUFLAGE /  September 2020

Flurnamen, Sagen, Märchen und Brauchtum als Brücken in die Vergangenheit. 484 Seiten, 70 Farbbilder, viele Zeichnungen;  Anhang: Ortsnamenindex

Das erste Kelten-Buch von Inge Resch-Rauter war bahnbrechend und zählt zu den keltischen Standardwerken, die unbedingt gelesen werden sollten. Keltische Ortsbestimmungen kommen heute noch in Hunderten von Varianten, oftmals bis zur Unkenntlichkeit entstellt, als Flurnamen in Europa vor. Die sprachlichen Veränderungen innerhalb von 2000 Jahren ließen dabei weit auseinanderliegende Bezeichnungen entstehen.

Der Ortsnamenindex ist ein hilfreiches Mittel bei der Interpretation und ideal für jeden Heimatforscher.

Unser Keltisches Erbe: 484 Seiten, 70 Farbbilder, viele Zeichnungen. Anhang: Ortsnamenindex

TELETOOL EDITION: 6.Auflage 2020 ISBN/EAN 978-3-9500-1670-3

Kurz-Info, Inhaltsverzeichnis und Leseproben


Kurz-Info

Europa war jahrtausendelang von Kelten besiedelt. Ihr vermutetes Ursprungsgebiet ist Süddeutschland und Österreich. Schon vor dem 2. Jahrtausend waren Kelten von der Rheinmündung und von Gallien aus auf die britischen Inseln gelangt; um 900 v. Chr. erreichten sie Spanien... Im südfranzösischen Raum um Marseille kamen sie mit der griechischen Mittelmeerkultur in Berührung. Sie "waren aber Erben  einer außergewöhnlich reichen und schöpferischen Vorgeschichte" schreibt Eliade (Geschichte der religiösen Ideen).

Jahrhunderte später wurden sie unter der brutalen Kriegssystematik der Römer militärisch vernichtet. Nicht jedoch in Noricum, wo sie seit langem auf Grund ihrer hervorrageden Metallurgie und Landwirt-schaft gute Wirtschaftsbeziehungen zu Rom hatten und sich klug mit Verträgen aus Kriegen heraus-hielten. Hier blieb ihre ausgereifte Bauernkultur (deren Effizienz der 8-jährige Krieg Caesars in Gallien bewies, den er ohne geringste Versorgungsschwierigkeiten führen konnte) fast unverändert über 2.000 Jahre bestehen. Ihre Noriker-Pferde waren bis zur Einführung von Traktoren in der Landwirtschaft immer noch begehrt!

Ist es nach dieser Sachlage denkbar, daß die "Stürme" der Völkerwanderungszeit imstande waren, eine riesige ethnische Gruppe, deren Volksstämme praktische ganz Europa bewohnten, auszulöschen? Sollte von den Kelten - nachdem sie Jahrtausende lang Europa geformt hatten - keine Spuren erhalten geblieben sein? Oder haben nur wir Heutigen verlernt, unsere eigene Identität zu erkennen. Was erzählen uns Sagen und Märchen? Was können wir aus den unzähligen Bräuchen ableiten, die den ganzen Jahreskreis begleiten? Wieso konnten sie überhaupt entstehen? Und was sagen die Namen von Fluren und Orten aus, die doch wohl in der Sprache jener Menschen benannt worden sind, die das Land gerodet haben. Es ist nicht denkbar, daß Fluren Namen nach Vögeln, Hasen, Grillen usw. tragen, die keine spezifische Lokalisierbarkeit zulassen. Oder nach Birken, Tannen, Espen, Haseln ... die zwar sehr geschätzt, aber "Allerweltspflanzen" waren! Oder haben alle diese Orts- und Flurnamen ganz andere Bedeutungen, die wir nur mißverstehen?

Die keltischen Ortsbestimmungen kommen in Hunderten von Varianten, oftmals bis zur Unkenntlichkeit entstellt, in ganz Europa vor. Nicht nur der lokale Dialekt hat sie verändert, als die keltische Sprache nicht mehr verstanden worden ist. Oftmals war es auch die Hand des Schreibers, der die schweren, unklar ausgesprochenen Dielektworte niederschreiben mußte. Die Sprachvariationen innerhalb von 2.000 Jahren ließen weit auseinander liegende Namen entstehen.

Flurnamen, Märchen, Sagen, Brauchtum, Kinderspiele sind die unsichtbare Brücke aus der Vergangenheit, über welche wir nur zurückzugehen brauchen, um zu unseren Wurzeln zu gelangen: dann lernen wir das Denken, Fühlen und Erleben unserer Ahnen verstehen.


Inhaltsverzeichnis

  • Der Lebensbereich  (Endlose Wälder - Das Straßennetz der Antike - Wasser ist Leben - Die Rodung kann beginnen - Alte Opferplätze - Frühe keltische Siedlungen - Pyrawarth und die Vogelberge - Das keltische Bauernland - Der "Tote Mann" - Bezeichnungen für stehendes Gewässer - Berge und Höhen - Die heiligen Altenberge)
  • Der Kult der 3 Frauen  (Die Große Erdmutter - Die Bethen-Margarethe - Wilbeth, die weiße Frau - Frau Holle - Der Maibaum, Blitzableiter der Vergangenheit - Die Saligen Frauen - Parzival)
  • Heiliges Recht und heiliger Tod  (Aspen - Leo und die Malplätze - Kyffhäuser - Rote Rosen im Rosengarten - Das Rätsel der "Roten Kreuze")
  • Priester-Gelehrte (Die Druiden - Lehrstätten der Druiden - Die Riesen aus dem Villnöss-Tal - Weiße Berge, Lichte Steine) 

Leseprobe

Der Wald: Kot und Gott

Die ausgedehnten weiten Waldgebiete wurden von den Kelten CETO / COET / COTIA bezeichnet, was ursprünglich "unbewohntes Land; Wildnis" bedeutete und im allgemeinen Sinn von Wald verstanden worden ist. In allen keltischen Nachfolgesprachen ist es in Form von COED (walisisch), COAT (bretonisch), CUIT (cornisch) usw. vorhanden. Die Römer haben uns das Wort als CETUM überliefert: so hieß die römische Militärstation an dem wichtigen Straßenknotenpunkt in Noricum, das heutige St. Pölten, Aelium Cetium. Sie lag, wie ihr alter Name aussagt, mitten in einem großen Waldgebiet und wurde einfach "Waldkaserne" genannt. Am Rande dieses Waldgebietes hatten die keltischen Großbauern ihre fruchtbaren Felder und breiten Wiesen, eine Herrenschicht, die in Wohlstand und Luxus lebte, wie ihre kostbaren Grabbeigaben bezeugen, die anläßlich des Baues der Schnellstraße von St.Pölten nach Krems zutage traten... 

Quer durch den europäischen Raum lassen sich Orte mit der genannten Stammsilbe für Wald auffinden, die in den vielen Koth-, Kot-, Kett- und Gott-Namen ihren Nachklang haben: So sind die Cottischen Alpen zwischen Italien und Frankreich als "Wald-Alpen" bezeichnet worden, die sich von dem unter ewigem Eis erstarrten Mont Blanc, etwas nördlicher davon, abhoben. In der Bretagne sind die alten Keltennamen als Coat und Goat erhalten geblieben, die relativ häufig vorkommen und das noch in den Dichtungen des 12. Jahrhunderts oft beschriebene Waldland beweisen. 

Im links-rheinischen ehemaligen Keltengebiet Deutschlands zeigt Kottenheim nahe Koblenz das Waldheim, die Waldsiedlung an, nennt Kottenforst (Wald-Wald) in zwei Sprachen den Wald und gibt das am Ammersee gelegene Kottgeisering den Schutzwald an, in welchem die mit Lanzen bewaffneten Krieger (keltisch GAISATI = Speerträger) stationiert waren. Kettmannshausen im Thüringer Wald findet durch Kettwa im Erzgebirge und durch Kettering in England seine Entsprechung.

Einige Beispiele aus Österreich, die ich aus einer unzählbaren Menge ausgewählt habe: Kötting (1294 Koting genannt, mit dem alemannischen Suffix an dem keltischen Namen) heißt "bei den Waldleuten"; Kothmühle "Waldmühle"; Kothof "Waldhof"; Kothing-Neusiedel nennt die Siedlung in der Neurodung des Waldes; Gottsdorf das "Dorf im Wald"; Göttlesbrunn (1171 Gottensprunne) gibt die "Wald-Quelle" an, ebenso wie Köttelach und Göttschach (1341 Gotschach). Kottes im Waldviertel wurde 1096 Chotiwalt genannt, eine Tautologie, die "Wald-Wald" bedeutet. Kettenreith in Niederösterreich, am Rand des fruchtbaren Bauernlandes gelegen, dort, wo die Waldberge ansteigen, gibt die alte, auf der Höhe verlaufende "Waldstraße" an (REDA keltisch = Straße), die als "Römerweg" den Leuten jetzt noch bekannt ist.... 

Eine sprachliche Abwandlung hat vorwiegend im linksrheinischen Gebiet das CETO zu "-scheid" entwickelt, in welchen Formen wir Ortsnamen wie Tettscheid kennen, das früher Taxo-Ceton (Eiben-Wald) nach der heiligen Eibe hieß; Bor-Cetum, der heutige Ort Burtscheid; Seelscheid, das sich von einem SELLUS-CETO, "Waldberg", herleiten dürfte.

Auch in der Sagenwelt blieb der alte Waldname erhalten: In Südtirol hausten, wie die Sagen erzählen, die Köeter (deren Name ganz offensichtlich von COET abstammt) in den einsamen Wäldern und schreckten die Knechte und Mägde, wenn sie zur Mahd gingen. Dann hockten diese rohen Wald- menschen, die sicherlich einer älteren Bevölkerungsschicht angehört haben, irgendwo am Rain, grausig anzusehen, mit ihrem "Leib so plump wie ein Götzenbild und Augen wie ein feuriges Protzenrad" (H. Fink, "Wanderlandschaft Südtirol"). Die Knechte haben immer mit Steinen nach ihnen geworfen, um sie von den Waldwiesen zu vertreiben....

 

Wilbeth - die weisse Frau

In den Erzählungen treten immer wieder die drei Jungfrauen aus dem Nebel hervor, in langen weißen Gewändern, licht und hell. Eine von ihnen hat eine silberne Mondsichel auf der Stirn. Wenn der Hahn kräht, oder wenn das Angelus-Läuten ertönt, sind sie verschwunden. Nur selten und ganz zufällig können Menschen sie erspähen, denn sie halten sich vor ihnen verborgen. Im Sagengut unserer Heimat werden sie manchmal auch "Wildfrauen" oder "Waldfrauen" genannt, die meist in Höhlen, den "Frauenhöhlen" wohnen.

Alle diese Frauengestalten tragen die Züge der drei Göttinnen, der drei "Schieren", wie sie auch geheißen haben müssen. SCHIER (germanisch SKIRA) bedeutete ursprünglich "glänzend, unvermischt; hell, durchsichtig, weiß; ohne Makel, lauter". Damit waren zweifellos die Göttinnen-Eigenschaften beschrieben. Der Sinn des Wortes wandelte sich schließlich zu unserem Dialektausdruck "schiach" für "häßlich, grausig, widerwärtig".

Oftmals ist es nur eine einzige der drei, die "weiße Frau", die einem armen Kind erscheint und es zu sich in ihr unterirdisches Reich holt. Meist an einem Karfreitag. Da öffnet sich, wie die Sagen zu erzählen wissen, eine Felsenspalte, die vorher nie jemand gesehen hat und die später auch immer verschlossen bleibt. Im Inneren des Felsens glitzert und leuchtet es hell von Gold und Edelsteinen; eine strahlende Welt! Erst im Jahr darauf wird das Kind vor diesem Felsen wieder gefunden, meist mit einem goldenen Apfel in der Hand, dem Apfel des ewigen Lebens.

In einer Kärntner Sage führt diese Frau im weißen Gewand, mit langem, goldenem Haar, eine Schar verstorbener Kinder bei Hollenburg über die Draubrücke. Welch schöner Gedanke! Sie führt die armen Kleinen wohl in ihren himmlischen Palast, in das Reich der Holden, die "Hollen-Burg". Gedanken solcher Art mußten Eltern früh verstorbener Kinder Trost gegeben und das Einfügen in ein unabänderliches Schicksal sehr erleichtert haben.

Nach der Umwandlung der alten Religion in das Christentum wird die Funktionen der Erdmutter von der Gottesmutter Maria übernommen. Eine Sage aus der Wachau erzählt: an drei aufeinander folgenden Tagen hinderte die "weiße Frau" ein Kind am Weitergehen. Durch eine Wallfahrt des Mädchens nach Mariazell wird die Frau erlöst und später nie mehr gesehen. An der Stelle des Geschehens steht ein Bildstock, der "die weiße Frau" genannt wird und zu welchem die Bauern bis in unsere Zeit beten gehen, wenn ein Familienangehöriger schwer erkrankt ist.

Die hell strahlende Gestalt dieses Bethen-Aspektes, die den milden Schein des Mondes ausstrahlte, muß für die frühen Menschen ungemein beglückend gewesen sein, gab sie doch der dunklen Nacht, die als Zeit des Todes galt, Licht. In früherer Zeit war die Welt viel dunkler als heute, wo sie mit taghellem elektrischem Licht jederzeit rasch und einfachst beleuchtet werden kann. Die schwarze Nacht war etwas Schreckliches. Das Licht aber gab Sicherheit und Wärme; es vertrieb Finsternis, Furcht und Tod.

Wilbeth war die Göttin, welche den Lauf des menschlichen Geschickes bestimmte, vom Werden aus der Erde bis zum Zurückkehren in die Erde, in einem ewigen Kreislauf ohne Anfang und Ende. Das Attribut der Göttin war daher das vierspeichige oder zwölfspeichige Rad, das sowohl den Jahreslauf (4 Jahreszeiten, 12 Monate) als auch den ewigen Kreislauf generell darstellte. Im Englischen heißt das Rad WHEEL, was phonetisch vollkommen dem WIL des Namens Wilbeth entspricht. Aus der keltischen Sprache kennen wir ein VEL-ES, das "der / die Sehende" bedeutet. Damit wurden die Priester, Dichter und Gelehrten bezeichnet. Das Wort VEL hängt mit "wissen", mit übernatürlicher Kenntnis und Klarheit, mit "in-die-Zukunft-blicken", zusammen. Wilbeth, die Rad-Bethe, kannte das künftige Schicksal jedes Menschen von der Geburt bis zu seinem Ende.

Das Werden-Sein-Vergehen, das sich so sichtbar im menschlichen Leben wie alljährlich in der Natur vollzog, zeigte auch der Mond allmonatlich in seinen wechselnden Phasen. Er mußte daher ihr Repräsentant sein; sie war seine Göttin. Ein Relikt der Glaubensvorstellung einer Mondgöttin ist in allen romanischen Sprachen erhalten: dort ist der Mond weiblich! Als "Frau Luna" ging er in die Dichtung ein. Die französischen Bauern sagen zu ihm "notre Dame" (unsere Frau); die portugiesischen Bauern nennen ihn "Mutter Gottes".

Im Germanischen wurde Wilbeth UUL-Beth oder JUL genannt, deren Fest zum Zeitpunkt der Wintersonnenwende gefeiert wurde. Das JUL-Fest war das Fest des neu erstehenden Lichts, das Geburtsfest der nun wieder wachsenden Sonne, des neuen Sonnenkreises. Es war Wilbeths Fest. Beda Venerabilis nennt unser heutiges Weihnachten noch MODRA NIHT, die "Nächte der Mütter". Erst im 5. Jahrhundert wurde das Geburtsfest Christi auf die Zeit der Wintersonnenwende verlegt und "Weihnachten" = "geweihte Nächte" genannt.

Ein alter Volksglaube sagt, daß auserwählte Menschenkinder, die am 24.12. geboren sind, bei Vollmond um Mitternacht in der JUL-Nacht den wunderbaren, betörenden Gesang der "damischen Katl" hören können; es waren wohl die Sphärenklänge der neuen Sonne gemeint, wie Tacitus sie schon beschreibt: denn Katl ist die Kurzform für Katharina, die "Helle, Reine".

 

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